Ziel muss es sein, die in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammer beschriebenen Inhalte zum Erwerb der Facharztreife vollständig zu vermitteln. Wir stellen fest, dass dies heute nicht mehr durch eine rein klinische Weiterbildung möglich ist, schlicht weil viele Inhalte in den Kliniken nicht oder nicht ausreichend vorkommen. Gute Weiterbildung braucht sektorenübergreifende Angebote, auch vor dem Hintergrund, dass in der Versorgungsrealität eine Mehrheit der angehenden Fachärztinnen und -ärzte später in der grundversorgenden Pädiatrie tätig sein wird1 (Abbildung 1).
Abbildung 1
Die Inhalte der klinischen und der grundversorgenden Pädiatrie können gemeinsam dort gut vermittelt werden, wo es strukturierte Angebote gibt, die auf kompetenzbasierten Weiterbildungscurricula aufbauen.
Für die ambulante Grundversorgung steht mit PaedCompenda ein solches Curriculum zur Verfügung, für die klinische Weiterbildung wird es entwickelt und soll als gemeinsames vollständiges Weiterbildungscurriculum Pädiatrie anschlussfähig sein an die e-Logbücher der Ärztekammern und an Lehrformate im Studium (PaedCompenda für Studierende).
Verbünde von Praxen und Kliniken können strukturierte Angebote machen, die auf der einen Seite Rahmenbedingungen für sektorenübergreifende Weiterbildung setzten und gleichzeitig Raum lassen für auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Gestaltung. Vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird auch dieser Gesichtspunkt zunehmen wichtig.
Verschiedene Weiterbildungsverbünde in Deutschland sind in den letzten Jahren entstanden, und es werden mehr. Auf der Homepage weiterbildung.dgaap.de sind detaillierte Informationen zu einzelnen Weiterbildungsverbünden (z.B. Weiterbildungsverbund Mittelfranken oder Schleswig-Holstein) abrufbar.
Gemeinsame Vereinbarungen regeln die Grundzüge der Zusammenarbeit und schaffen für die
Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) verlässliche Strukturen und bessere Planbarkeit für Kliniken und Praxen (Abbildung 2).
Beispiel: Weiterbildungsverbund Pädiatrie Schleswig-Holstein2,3,4
- im 3. oder 4. Weiterbildungsjahr - Dauer 12 bis 24 Monate - Umfang halbe Stelle
Abordnung in die Weiterbildungspraxis im Umfang einer halben Stelle, der darüber hinausgehende Stellenumfang wird in der Klinik abgeleistet. Der Arbeitsvertrag mit und die Vergütung durch die Klinik bestehen unverändert fort. Die Praxis zahlt an die Klinik die tarifvertraglich festgelegten Entgelte. Die Förderung der ambulanten Weiterbildung steht der Praxis zu. Die Tätigkeit wird von der Ärztekammer in vollem Umfang anerkannt.
Abb. 2 |
Verlässliche Regelungen schaffen Sicherheit, um sich auf Verbundmodelle in der Weiterbildung einzulassen. Wichtiger Bestandteil ist die zeitlich befristetet Abordnung der ÄiW in die Praxis und die anschließende
Rückkehr an die Klinik. Die Dauer der Abordnung umfasst 12 bis 24 Monate im Umfang eines halben Stellenanteils (entsprechend einem halben bis vollen Weiterbildungsjahr).
Abordnung: a.) Der Abordnungsvertrag regelt die Dauer und den zeitlichen Umfang der Abordnung. b.) Der Weiterbildungsvertrag mit der Klinik bleibt gewahrt. Damit ist auch die Rückkehr an die Klinik gesichert. --Dauer und Umfang der Abordnung sind klar geregelt. --Restzeiten in der Klinik können in Absprache mit der Ärztekammer als Weiterbildungszeiten anerkannt werden (Voraussetzung: es findet Weiterbildung in der Klinik statt, keine reine Diensttätigkeit) --Es handelt sich bei der Abordnung zu Zwecken der Weiterbildung nicht um eine --Arbeitnehmerüberlassung. Der Zweck der Weiterbildung muss eindeutig aus dem Abordnungsvertrag hervorgehen (Mustervorlage und Rechtsgutachten: siehe Homepage www.weiterbildung.dgaap.de) |
Bevorzugt erfolgt die Abordnung im mittleren Weiterbildungsabschnitt. Der Weiterbildungsvertrag zwischen Klinik und ÄiW besteht fort, ein Vertrag zwischen Praxis, Klinik und ÄiW regelt Zeitraum, Umfang und Arbeitszeiten in Praxis und Klinik während der Abordnung. Die Bezahlung erfolgt wie zuvor über die Klinik, die Praxis führt je nach Stellenumfang den entsprechenden Kostenanteil an die Klinik ab, ihr steht die entsprechende Förderung der ambulanten Weiterbildung zu. Alle dafür erforderlichen Formalitäten (Antrag Weiterbildung an Zulassungsstellen der KV, Beantragung der Förderung, Mitteilung an die Ärztekammer) werden durch die Praxis erledigt. Im Einzelfall können Regelungen in Absprache zwischen Klinik, Praxis und ÄiW individuell angepasst werden.
Bei der Vertragsgestaltung zwischen Kliniken, Praxen und ÄiW bietet der Abordnungsvertrag
einige Vorteile (Abbildung 3), andere Optionen sind ebenfalls möglich. Die Anerkennung aller Weiterbildungszeiten durch die Ärztekammer sollte zuvor geprüft werden.
Das strukturierte kompetenzbasierte Weiterbildungscurriculum für den ambulanten Weiterbildungsabschnitt wird von allen eingesetzt. Damit wird eine qualitativ anspruchsvolle und strukturierte Weiterbildung in der ambulanten Grundversorgung etabliert, die in den verschiedenen Praxen auf vergleichbarer Grundlage erfolgt. Kompetenzbasiert Weiterbildung, die in den neuen WBO der Landesärztekammern gefordert wird, kann so bereits jetzt umgesetzt werden. Ein klinisches Curriculum muss zügig folgen.
Wer Versorgung für morgen sichern will, muss heute weiterbilden. Eine gute Weiterbildung lehrt Pädiatrie sektorenübergreifend mit guten Weiterbildungskonzepten. Die kinder- und jugendärztliche Rolle erlernen diejenigen, die strukturiert und kompetenzbasiert Inhalte an den Orten der Versorgung vermittelt bekommen. Gute Weiterbildung braucht qualifizierte Vermittlung von Inhalten durch Handeln, Beobachtung und Rückmeldung. |
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Literatur:
1 Ärztekammerstatistik 2019, www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/aerztestatistik/aerztestatistik-2019/
2 Weiß-Becker, C (2016): Pädiater gründen Verbund. Modellvorhaben zur Verbundweiterbildung in der Pädiatrie. Ärzteblatt Schleswig-Holstein, 1:26-27
3 Weiß-Becker, C (2018): Neues Konzept für die Pädiatrie im Verbund.
Ärzteblatt Schleswig-Holstein, 3:6-9
4 Weiß-Becker, C (2019): Weiterbildungsverbund Pädiatrie in Schleswig-Holstein – neue Konzepte für gute Weiterbildung und den Erhalt der Pädiatrie. Kinder- und Jugendarzt, Jg. 50, H. 10:605- 609
5 Weiß-Becker, C (2020): Sektorenübergreifende Pädiatrie – Weiterbildungsverbünde von Praxen und Kliniken, BVKJ Schwerpunktthema 2020 – Pädiatrische Wege und Welten, 45 - 49
6 Royal College: CanMEDS: Better standards, better physicians, better care.
http://www.royalcollege.ca/rcsite/canmeds/canmeds-framework-e, letzter Zugriff 13.08.2019
7 Fegeler U., Jäger-Roman E., Martin R., Nentwich HJ. (2014): Ambulante
allgemeinpädiatrische Grundversorgung. Versorgungsstudie der
Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin.
Monatsschr.Kinderheilkunde, 162(12):1117-1130