Was heißt eigentlich ambulante allgemeine Pädiatrie
Die ambulante medizinische Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen ist in Deutschland im SGB V §73 gesetzlich geregelt. Dort wird festgelegt, dass Allgemeinärzte, Kinderärzte, Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung und andere Ärzte an der „hausärztlichen Versorgung“ teilnehmen. Der Begriff der hausärztlichen Versorgung („primary health care“) wurde in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich durch WHO und insbesondere WONCA (World Organisation of National Colleges, Academies and Academic Associations of General Practitioners/Family Physicians[1]) weiterentwickelt. Angelehnt daran definieren sich die Aufgaben der pädiatrischen Grundversorgung wie folgt:
- Sie sind die ersten Ansprechpartner im Gesundheitssystem für die von ihnen betreuten Kinder, Jugendlichen und ihre Familien bei allen medizinischen und psychosozialen Problemen und Fragen zu Wachstum und Entwicklung
- Sie versorgen Kinder und Jugendliche kontinuierlich und umfassend von der Geburt bis zum 18. Geburtstag
- Sie arbeiten primär kindzentriert (nicht organspezifisch).
Dazu gehört eine effektive und altersgerechte Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen unter Einbeziehung ihrer Familien und anderer Bezugspersonen in ihrem jeweiligen kulturellen, sozialen und religiösen Kontext
- Sie behandeln akute sowie angeborene und erworbene chronische Erkrankungen
- Sie führen alle Präventionen durch (Früherkennungsuntersuchungen, Impfungen, Gesundheitserziehung und vorausschauende Beratung)
- Sie sind Lotsen im Gesundheits- und Sozialsystem
- Sie arbeiten auf kommunaler Ebene in Netzwerken mit Sozial- und Bildungs-Behörden/Institutionen zusammen (wie: Kinder- und Jugend-GesundheitsDienst, Jugendamt, Kindergärten und Schulen). Im medizinischen Kontext kooperieren sie mit Kinder-Krankenhäusern, pädiatrischen Subspezialisten und mit Einrichtungen, die chronisch kranke und behinderte Kinder und Jugendliche multiprofessionell versorgen (Sozialpädiatrische Zentren), außerdem mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen anderer Fachdisziplinen, die auf ihrem Gebiet eine besondere pädiatrische Kompetenz erworben haben.
Die ambulante allgemeinpädiatrische Versorgung der Kinder und Jugendlichen hat sich längst zu einem eigenen Fachgebiet mit spezifischen Versorgungsaufgaben und davon abgeleiteten Weiterbildungsinhalten entwickelt. Über 90% der pädiatrischen Arzt/Patientenkontakte finden in diesem Versorgungssektor statt, die pädiatrische Grundversorgung ist das von den Patienten am meisten gesehene Gesicht der Pädiatrie.
Eine Versorgungsstudie der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (im Folgenden „DAKJ-Studie“[2]) hat wesentlich dazu beigetragen, das Versorgungsgeschehen in den pädiatrischen Praxen anhand der Beratungsanlässe, den dazugehörigen Diagnosen und der ärztlich aufgewendeten Zeit darzustellen. Seitdem ist die pädiatrische Grundversorgung ein Fach mit definiertem Versorgungsauftrag, klarem Diagnosenprofil, klarer Beschreibung der notwendigen ärztlichen Kompetenzen und der grundsätzlichen Organisationsstruktur einer Praxis. Was fehlt ist ihre wissenschaftliche Repräsentanz durch eigene Lehrstühle.
Die im Jahre 2010 gegründete Deutsche Gesellschaft für Ambulante Allgemeine Pädiatrie (DGAAP[3]) hat es sich in diesem Zusammenhang zur Aufgabe gemacht, über eine kontinuierliche Versorgungsforschung den Versorgungsauftrag der pädiatrischen Grundversorgung zu beobachten und in einem Grund-Curriculum (PaedCompenda[4]) die sich daraus ergebenden Lernziele der künftigen Pädiaterinnen auszurichten, vor allem aber: sie in ihren vielschichtigen professionellen Kompetenzen weiterzubilden.
[1]www.woncaeurope.org/file/c69fa10a-19ee-4c63-8d0b-418abaf97251/World%20Book%202015.pdf
Zugriff 29.5.2021
[2] Fegeler U, Jäger-Roman E, Martin R, Nentwich H-J (2014): Ambulante allgemeinpädiatrische Grundversorgung, Versorgungsstudie der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin, Monatsschr Kinderheilkd 2014, 162:1117–1130 Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 DOI 10.1007/s00112-014-3258-7
[3] www.weiterbildung.dgaap.de/weiterbildung/
[4] www.paedcompenda.de